Beraten statt betreut

Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo. Lesen Sie, wie wir auf unsere Gäste eingehen. Denn wer bis jetzt in seiner Obdachlosigkeit überlebt hat, der will selbst seinen Weg finden.

„Haben Sie denn schon etwas gefrühstückt?“ mit dieser Frage beginnen viele Gespräche in unserer Sozialberatung. Aus zwei Gründen: Sich die Zeit für ein Frühstück zu nehmen, heißt, sich Zeit für sich selbst zu nehmen. Und wenn es auch nur die 15 Minuten sind, die unseren Gästen gerade zur Verfügung stehen. Es ist genug Zeit, einen Augenblick zur Ruhe zu kommen. Zum anderen soll die Sozialberatung vor allem unseren Gästen dienen. Denn dies war der Gedanke von Bruder Wendelin: Die Bedürftigen frühstücken und erfahren dabei Gastfreundschaft, Würde, Respekt und Nächstenliebe. Und in dieser Atmosphäre entstehen dann Vertrauen und Mut, die Dinge mit uns aktiv anzugehen.

Bedürfnis nach Beratung

Daher saß vor Corona auch immer ein Ehrenamtlicher aus der Beratung inmitten der Gäste. Sichtbar und jederzeit ansprechbar. Doch vor allem bekam er viele Tischgespräche mit und damit auch Sorgen und Fragen mit. Inzwischen finden diese Unterhaltungen vor allem in der Warteschlange vor dem Franziskustreff statt. Dort, wo sich auch das Handwaschbecken befindet. Wie gut, dass die Tür der Beratung in Sichtweite ist und jederzeit offensteht. Und auch hier werden die Gäste zuerst von einem ehrenamtlichen Helfer in Empfang genommen.

Das Bedürfnis zur Beratung hat während der Krise stark zugenommen. Es sind viele neue Gesichter unter den Wartenden. Denn viele Menschen sind in der derzeitigen Lage geradezu abgehängt. Die Behörden haben auf Online-Anmeldungen umgestellt, was vielen Bedürftigen den Zugang deutlich erschwert. So gilt, was Frau Strojan, die Leiterin der Beratung, schon während des Lockdowns bemerkte: „Wenn die Ämter geschlossen sind, kommen die Menschen eben zu uns.“ Und wir helfen, wo wir können. So hatten wir zeitweise sogar auf Online-Beratung umgestellt. Und konnten unseren Gästen so per Videokonferenz zur Seite stehen.

Wenn die Ämter geschlossen sind, kommen die Menschen eben zu uns

Doch hat sich unsere Arbeit sehr geändert: Gerade bei bürokratischen Angelegenheiten sind immer mehr Ad-hoc-Lösungen gefordert. Und leider nehmen in der Krise auch die Fälle psychischer Belastungen zu. Unser Ansatz ist dabei stets, den Menschen erst einmal zuzuhören. „Gedanken aus, Ohren an.“ nannte dies ein Ehrenamtlicher. So erfahren wir, was die Hilfesuchenden eigentlich wollen und erwarten. Dabei fordern wir Einsatz und Ehrlichkeit. Das fängt bei der Maskenpflicht an. Und reicht bis zur aktiven Mitarbeit jedes Einzelnen, seine Probleme oder Wünsche angehen zu wollen. Niederlagen teilen wir dabei genauso wie Erfolge. So schauen wir mit unseren Gästen nach vorne, aber wir schieben sie nicht nach vorne. Denn auch dies ist Teil unserer Ordnung: Wir wissen, wo unsere Grenzen sind. Unsere Nächstenliebe soll in denen, die sie in Anspruch nehmen, zur Triebfeder für das eigene Handeln werden.

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