Bruder Paulus: Unterwegs daheim

03.07.2023

Br. Paulus: Ich singe gern. Manche sagen: auch gut. Das Lied vom „Gast auf Erden“ und den „Beschwerden“ geht mir besonders leicht über die Lippen. Das gilt auch für die „Ewige Heimat“. Dieses Lied aus dem katholischen Gesangbuch gehört zum Standardrepertoire auf Begräbnissen. Doch nicht nur dort ist es mir lieb. Sondern auch zwischendurch. Dann, wenn die Beschwerden besonders groß sind. Oder Menschen an meiner Seite sind, die mir „Geleite“ geben. Sie sind Licht für mich: vom auferstandenen Jesus. Der mir durch viele Menschen zur Seite war, ist und sein wird.

1998–2010: Großstadtdebüt und erster Abschied – Frankfurt Liebfrauen
Ich kam Ende 1998 mit gemischten Gefühlen an den Main. Aus Westfalen, kleinstadtgeprägt, fürchtete ich die Metropole. Zur Gemeinschaft gehörten Mitbrüder, deren Namen in Frankfurt bereits mehr als anerkannt waren: Pater Erich, Pater Amandus, Pater Kilian, Pater Tim und Bruder Wendelin. Ich hatte seit 1992 sechs Jahre in Gera in Thüringen gearbeitet, als Klinikseelsorger. Ich engagierte mich in der Hospizarbeit. Zusätzlich betreute ich, gerichtlich bestellt, Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht waren. Die Nachbarn unserer Wohnung etwa waren mehrfach zwangsgeräumte Mieterinnen und Mieter städtischer Notwohnungen.

Aus dieser überschaubaren Umgebung unmittelbar in ein Kloster im Zentrum einer Großstadt – davor hatte ich Respekt. Doch es hat mich zugleich fasziniert: Meine Gene als Sohn eines Händlers – sie waren schnell aktiviert. Schon bald bin ich mit Inline-Skates über die Hauptwache gefahren. Dadurch kam ich mit Menschen schnell ins Gespräch. Das führte bald zur Idee des täglichen biblischen Kommentars zur Schlagzeile der Bild-Zeitung. Und führte mich zur Arbeit in den Medien. Inklusive Anfrage, ob ich im Fernsehen etwas machen kann, für die katholische Kirche in Deutschland. Die Liturgien in Liebfrauen waren wunderbar, von Anfang an: Viele Menschen, denen ich das Evangelium verkünden konnte. Und immer wieder: Bruder Wendelin, mit seinem Lachen und seiner Zuversicht im Franziskustreff. Doch 2005 kam die Frage: Kannst du gehen? Für die Berufungspastoral des Ordens nach Dieburg? Ich ging. Ohne zu wissen, dass ich wiederkommen würde.

2010–2023: Die Wiederkehr – zurück in Liebfrauen und dem Franziskustreff
Der Tod prägt Leben, auch meines: Bruder Wendelin starb 2010. Deswegen wurde ich erneut an den Main gerufen. In diesem Jahr übernahm ich die Leitung des Franziskustreffs. Drei Jahre später gründete die Deutsche Kapuzinerprovinz die Franziskustreff-Stiftung. Den Aufbau vertraute sie mir an: als geschäftsführender Vorstand mit kompetenter Hilfe. Die war schon in den vorangegangenen Jahren an meiner Seite. Niemand kann allein wirken. Immer wieder erlebte ich, dass Brüder kamen, Brüder gingen. Ich durfte sie immer neu zusammenführen in der Gemeinschaft. Das oblag mir als Guardian des Klosters und, für die vielen, die nach Liebfrauen kommen, zeitweise als kommissarischer Leiter des Kirchenrektorats. Mit Bruder Michael als Diplom-Pädagoge und -Sozialarbeiter kam 2015 einer, der als Fachmann den Franziskustreff leiten konnte. 2019 übernahm er auch die Aufgabe des Guardians im Kloster. Für mich dann weiter: Liturgie und Seelsorge in Liebfrauen, brüderliche Gemeinschaft, wie ich sie immer wollte. Kontakt zu Menschen aller Bevölkerungsschichten, für sie Ansprechpartner und Seelsorger sein – und weiterhin: Medien gestalten. Es kam die Zeit, auch etwas anderes stärker in den Blick nehmen: dass ich der ewigen Heimat zuwandere, nicht ewig lebe. Darum begann ich 2018, für die Zeit zu planen, in der ich nicht mehr aktiv in der Franziskustreff-Stiftung tätig sein kann.

Bemerkenswert: 2023, am 13. März, konnten wir 10 Jahre Franziskustreff-Stiftung feiern – mit besonderem Dank an die Wohltäterinnen und Wohltäter. Sie sind das tragende Fundament der Sorge für arme und obdachlose Menschen hier in Frankfurts Liebfrauen.

Ab Juli 2023: Weiter, nur anders – für den Franziskustreff …
So kann ich jetzt in aller Ruhe einem Ruf der Ordensleitung folgen. Er führt mich nach München. Mit Bruder Bernd Kober und Henriette Domhardt, die mit mir im Vorstand der Stiftung sind, gebe ich zum 1. Juli 2023 meine zehnjährige ehrenamtliche Geschäftsführung der Stiftung ab: in die Hände von Bruder Michael und Thomas Koch. Weiter bis März 2025 bin ich jedoch als Vorsitzender des Vorstandes mit meinen Vorstandskollegen verantwortlich für das Gesamtwohl der Stiftung. Doch die konkreten Entscheidungen zu Strategie und Öffentlichkeitsarbeit, Personal und Finanzen treffen die Geschäftsführer vor Ort.

… und die Wohltäter der Kapuziner in Deutschland
In München darf ich als Guardian die Gemeinschaft von sieben Brüdern leiten. Ich freue mich, Ansprechpartner zu werden: für die vielen Wohltäter der Kapuziner in ganz Deutschland, die unser Leben und Wirken unterstützen. Ich soll weitere Menschen suchen und finden, die gern die Mission der Kapuziner unterstützen. Die die speziellen Aufgaben der Ordensprovinz mitfinanzieren: junge Brüder ausbilden sowie älteren und kranken Brüdern im Lebensabend Auskommen und Pflege geben. Darüber hinaus junge Menschen für den Ordensberuf interessieren. Brüdern aus anderen Ländern im Promotionsstudium unterstützen. Die jetzt aktiven Kapuziner weiterbilden und geistliche Exerzitien ermöglichen. Aber auch: Brüdern in anderen Ländern das Nötigste zum Leben geben und weiteres mehr. Die franziskanische Lebensweise macht sich abhängig vom Wohlwollen der Mitmenschen. Mich begeistert immer wieder, was sie an Solidarität und Engagement weckt. Der Franziskustreff und besonders sein Gründer Bruder Wendelin († 2010) : Sie bleiben mir immer ein Vorbild. War er es doch, den ich schon ganz am Anfang meines Ordenslebens 1978 kennengelernt habe.

Unterwegs: im Leben und „der ew‘gen Heimat zu“
Auf die neuen Herausforderungen freue ich mich: Sei es in München, Salzburg, Altötting, Münster, Clemenswert, in Zell am Harmersbach, Frankfurt und an früheren Wirkungsstätten der Kapuziner und neuen: mit Vorträgen und persönlichen Besuchen. Und natürlich per Radio. Denn in München arbeitet das Kirchenradio. Und Radio Horeb sendet ganz in der Nähe. Dazu noch das Fernsehen, etwa am 15. Oktober 2023 um 9.30 Uhr: beim ZDF-Fernsehgottesdienst: wieder hier in Frankfurt – diesmal aus der Kapelle des St.-Katharinen-Krankenhauses. Wer mich kennt, der weiß: Ich bin gern Gast auf Erden. Und ich wandere weiter. Gern auch mal singend. Ohne Ruh. Und doch schon mit dem Anfang von Ruhestand. So bleibe ich unterwegs: „dehaam“.

 

Vergangene Woche war es dann so weit. Der Abschied war da.
Mit dem Sommerfest im Franziskustreff und dem Abschiedsgottesdienst in der Liebfrauenkirche boten sich noch einmal Gelegenheiten Bruder Paulus zu begegnen und sich mit ihm auszutauschen. Die obdachlosen und armen Gäste im Franziskustreff sowie Wegbegleitende aus der Gemeinde und Stadtgesellschaft nutzen dieses letzte Treffen vor seinem Wegzug für Abschiedswünsche und kleine Geschenke. Herzliche und emotionale Momente, an die sich alle gern erinnern und die Bruder Paulus auf seinem weiteren Weg sicher im Herzen tragen wird.

Lieber Bruder Paulus,
und wir sagen nun auch hier noch einmal Danke: Für Deine Kreativität, die Hingabe und den unermüdlichen Einsatz für alle Menschen in Frankfurt. Besonders im Namen der obdachlosen und armen Gäste im Franziskustreff und dem gesamten Team. Von Herzen alles Gute für Dich. Viel Freude mit Deinen neuen Aufgaben. Und, dass sich Deine neue Heimat schnell nach „dehaam“ anfühlt.

Du wirst uns fehlen! Komm‘ uns mal besuchen.
Auf Wiedersehen!