Von der Straße zurück in die eigene Wohnung
Es war die erste Straßenbahn, die Manfred im Morgengrauen geweckt hat. Es gab keine doppelverglasten Fenster, die den Lärm gestoppt hätten: Manfred hatte seinen Schlafplatz direkt an einer Hausfassade. Hinter einem Gebüsch. „Hier habe ich immer gepennt. Dahinter hat mich keiner gesehen“, erinnert sich der Mittsechziger. Er hat lange auf der Straße gelebt. Trost fand er im Vogelgesang und den Tierstimmen aus dem Zoo auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Diese Klänge hörte er, wenn die Straßenbahn wieder abgefahren war.
Unfassbares Glück
Heute erfreut sich Manfred immer noch sehr am Gezwitscher der Vögel – aber von seinem eigenen Balkon, wenn er seinen Morgenkaffee genießt. Meisen, Rotkehlchen und sogar Eichhörnchen kommen gern zu Besuch. Der sehr tierliebe Manfred hat immer etwas Futter für sie da. Manchmal kann er sein Glück immer noch kaum fassen: Er hat wieder eine eigene Wohnung. In Sicherheit sein, in einem richtigen Bett schlafen und den Frieden in einer ruhigen Wohnlage im Grünen genießen. So wie die Menschen, die er einst sehnsüchtig auf ihrem Weg nach Hause sehen konnte.
Die große Kehrtwende in seinem Leben begann mit Frühstück.
Irgendwann hörte Manfred vom Franziskustreff. Der ruhige, nachdenkliche Mann wurde bald Stammgast beim Frühstück. Die sichere Mahlzeit und der Anschluss an die Menschen hier halfen ihm beim Überleben, körperlich wie seelisch. Dabei fasste er zusehends Vertrauen zum Team. Irgendwann war die Kraft da und er ging nach dem Frühstück zur Beratung neben dem Gastraum. Mit Sozialarbeiterin Svetlana Strojan überlegte er, wie es weitergehen kann. Schritt für Schritt begleitete sie ihn bis auch die Vorstellung einer eigenen Wohnung wieder denkbar wurde. „Manfred hat immer versucht, positiv zu bleiben in seiner Situation. In Würde das Bestmögliche in seiner Lebenslage zu erreichen. Ich habe sein Zutrauen und die Kraft gespürt, sein Leben noch einmal zum Besseren verändern zu wollen. Das waren gute Voraussetzungen, um mit ihm auf Wohnungssuche zu gehen. Und alle Nötige mit Ämtern und Behörden zu regeln.“, erinnert sich Strojan.
Zwischenstopp Wohnwagen
Zuerst konnte Svetlana Strojan gemeinsam mit und für Manfred ein Zwischenziel erreichen: Er musste nicht mehr länger am Sockel „seines“ Hauses im Freien schlafen. Stattdessen wurde ein Campingwagen sein Quartier – schon ein großer Unterschied und ein Schritt in die Zukunft. Und dann bekam Manfred eines Tages einen Termin: Er konnte sich persönlich vorstellen und eine Wohnung besichtigen. Wenige Wochen später dann dieser große Moment in Manfreds Leben: endlich einmal auf der Sonnenseite zu stehen. Die Negativserie seines Lebens zu beenden. Denn dieses war geprägt durch die Gewalt des Stiefvaters. Und infolgedessen durch Ausreißen und Flucht, schon als Kind. Dieses Kapitel zu schließen und, ganz ungewohnt, derjenige sein, dem vertraut und etwas zugetraut wird: Ein neues Leben in einer – seiner – neuen Wohnung zu beginnen. Ein großartiges Gefühl. Manfred ist einfach happy, wie er selbst darüber sagt.
Vertrauter Besuch
Die Perspektive setzt positive Energien frei bei Manfred. Von deren Ergebnissen kann sich Svetlana Strojan selbst überzeugen, beim Begrüßungsbesuch in der Wohnung. Obwohl Manfred nur ein minimales Budget hat, ist alles fast komplett eingerichtet. Denn Manfred weiß zu schätzen, was andere Menschen vielleicht nicht mehr benötigen oder wollen. Viele Dinge hat er aus dem Sperrmüll geholt und den Möbeln das geschenkt, was er sich selbst geschenkt hat: ein zweites Leben. Kommode, Bord, Tisch, sogar der liebenswerte Raumschmuck ist hübsch arrangiert. Besonders stolz ist Manfred auf die Musikanlage. Ein älteres Modell, aber in einem prima Zustand. „Was die Menschen alles so wegwerfen. Hören Sie mal. Das funktioniert alles noch!“, freut sich Manfred, als er Svetlana Strojan durch seine Wohnung führt. Er freut sich sehr, dass sie weiterhin verbunden sind. Nach dem Frühstück schaut er noch des Öfteren auf ein Hallo und ein paar Sätze vorbei. Ihr nun zeigen zu können, was sie gemeinsam erreicht haben, macht ihn sehr stolz. Und Manfred richtet seinen Blick nach vorn. Trotz allem Schlechten, was ihm widerfahren ist: behält er im Blick, was gut ist. Nach vorn schauen, tut ihm gut. „Es ist sehr berührend für mich, das zu sehen. Und das Schönste an meiner Arbeit.“ so Svetlana Strojan.
Manfred blickt mit tiefer Dankbarkeit zurück. Dann, wenn er vom Balkon aus die Wildtiere füttert. Auch wenn es bis zum Ruhestand gedauert hat: Endlich kann er in Ruhe und Sicherheit leben. Zum Film
Eine neue Chance geben
Es gibt ganz viele Wege, um Menschen wie Manfred konkret zu helfen, eine neue Chance im Leben zu ergreifen. Tatsächlich kann das schon damit beginnen, gut erhaltene Dinge nicht einfach in den Sperrmüll zu stellen, sondern bei Sammelstellen abzugeben. Der Franziskustreff kann solche Spenden aus logistischen Gründen nicht entgegennehmen. Dafür gibt es in Frankfurt soziale Einrichtungen, die dies in den Mittelpunkt ihrer wichtigen Arbeit stellen. Das können etwa Sozialkaufhäuser sein. Der Franziskustreff als Teil des Frankfurter Netzes aus sozialen Hilfsangeboten empfiehlt sie gern.
Viele Spendenformen – eine Hilfe
Die Arbeit des Franziskustreffs kann man direkt mit Spenden unterstützen und damit den Tisch für Menschen ohne Obdach decken. Manfreds erste Frühstücksbegegnung mit dem Franziskustreff war durch diese finanzielle Unterstützung überhaupt erst möglich. Denn das reichhaltige Frühstück von duftendem Kaffee über einen Fitnessteller bis zum süßen Teilchen wird nur durch private und unternehmerische Spenden möglich – ganz ohne Staats- und Kirchengeld. Und so haben Wohltäterinnen und Wohltäter, wie wir die Spender nennen, auch schon ganz direkt für ein paar süße Momente bei Manfred gesorgt: mit selbst gemachter Konfitüre. Denn auch so etwas lässt sich, nach Absprache mit der Hauswirtschaft des Franziskustreffs, mit Lebensmitteln für das gute Frühstück spenden.